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Dorf der Seneca - Red-Earth

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Dorf der Seneca - Red-Earth  Empty Dorf der Seneca - Red-Earth

Beitrag von Whitefang 27/11/2012, 23:05

Dorf der Seneca - Red-Earth  Cherok10

Der Red-Earth-Tribe der Seneca lebt direkt an einem großen Fluß namens Huras River. In dem Dorf leben einige hundert Menschen. Es ist umgeben von dichtem Wald und befindet sich auf einer Lichtung im Tal der Windmother Mountains. Ihre Hütten sind aus Holz, Schilfgras und Baumrinde gefertigt; sie sind alle Rund und haben ein spitz zulaufendes Dach mit Rauchabzug, oder sehr lang und ähnlich gebaut. Es gibt auch Langhütten extra für Frauen und extra für Männer. Auf dem Dorfplatz werden von Zeit zu Zeit Tänze abgehalten oder Reden gehalten, ansonsten ist es der Treffpunkt für die Clanmitglieder um zu reden und teilweise um ihrer Arbeit nachzugehen.
Die Clanführerin Wavedancer lebt in einer großen Rundhütte, zusammen mit ihrem Mann, ihren Kindern und deren Kindern. Direkt auf der Lichtung neben den Hütten gibt es einige kleine Maisfelder, auf denen der Mais geerntet wird, sowie einige Bereiche wo Kürbisse, und andere Gemüse wachsen. In kleinen, kugeligen Hütten die eine konische Form haben, wird Fleisch und Fisch geräuchert. Sie stehen überall im Dorf, meistens hat jede Hütte seine eigene Räucherhütte. Zwischen den Hütten haben sich Trampelpfade gebildet. An den Hütten selbst sind oft wunderschön verzierte, bunte Tücher und Teppiche angebracht, welche etwas über die darin lebenden Familien aussagen.
Am Fluß liegen viele Kanus an Land, mit denen die Seneca zum Fischfang fahren oder das Gebiet erkunden und weitere Strecken zurück legen.


Zuletzt von Whitefang am 27/11/2012, 23:09 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Alter: 28
Clan: Kangee

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Dorf der Seneca - Red-Earth  Empty Re: Dorf der Seneca - Red-Earth

Beitrag von Great Hoop 27/11/2012, 23:06

Der Tag verging langsam und neigte sich der Nacht zu. Am Horizont hinter den Hügeln, dort wo die Sonne unterging, tönte sich der Himmel in ein mattes Goldgelb, ging über in ein pastellfarbenes Orange und Türkis und vermischte sich dann mit dem dunkler werdenden Kobaltblau des restlichen Himmels. Die Kronen der Bäume zeichneten sich schwarz von diesem Farbspiel ab wie Schatten im Licht einer Talgkerze. Schon bald würden sich die ersten funkelnden Leuchtpunkte am Himmel zeigen. Im Dorf der Seneca brannte längst ein großes Feuer in der Dorfmitte, dort wo sich auch der große Holzpfahl befand; die meisten Bewohner waren bereits in ihren Hütten verschwunden um dort die restlichen Stunden zu verbringen, um die Feuergruben anzuheizen und sich schlafen zu legen. Doch hier und da liefen noch einige kleine Kinder an den Langhäusern vorbei, lachend und kreischend, gefolgt von einigen kläffenden Hunden welche ihnen spielerisch nachjagten. Auch trafen noch immer vereinzelt Männer ein weil sie erst von der Jagd oder dem Fischfang zurückkehrten, in den Händen ihre Speere und Beute haltend und mit zügigen Schritten zu ihren Hütten eilend. Doch nach und nach kehrte im Dorf Ruhe ein. Auf dem Dorfplatz bei dem großen Feuer hielten sich einige letzte Bewohner auf weil sie sich spannende Geschichten erzählten, oder vielleicht auch weil sie lieber dort saßen als Zuhause ungewollte Dinge tun zu müssen. Das Knacken der Holzscheite im Feuer mischte sich mit dem Zirpen der Grillen, den Rufen der Nachtvögel und dem Quaken der Frösche aus der Umgebung. Auch wenn es tagsüber schwül und warm war wurde es wie jede Nacht auch jetzt ein wenig kühler. Am nächsten Morgen würde dichter Nebel über den Wiesen und den Wäldern aufsteigen.
Shelled Corn beugte sich über den großen Mahlstein mit der Mulde in der Mitte, schob mit einer Hand die Maiskörner zusammen und begann erneut mit dem runden Handstein darüber zu reiben; geschäftig rieb sie vor und zurück sodaß die harten Körner zu grobem Mehl wurden, welches langsam nach unten auf die flache Schale aus geflochtenem Wassergras rieselte. Immer wieder schob sie die restlichen Körner und die groben Stücke zusammen und rieb weiter, wobei ihr zu einem Zopf geflochtenes Haar über die Schulter rutschte. Schließlich hatte sie genügend Maismehl gemahlen und wischte auch den letzten Rest mit einem kleinen Reisigbündel von dem Mahlstein, um das Mehl anschließend in eine Holzschale zu füllen. Dabei fiel ihr Blick auf ihren Mann welcher auf der Liege vor der Feuerstelle saß und mit einer Knochenahle Löcher in ein Stück Leder bohrte. Sie waren nun schon zehn Sommer und zwei Monde ein Ehepaar, und sie liebten sich noch immer so wie damals als er ihre Mutter darum gebeten hatte um sie zu werben. Shelled Corn betrachtete Great Leaper voller Liebe ehe sie gemahlene Früchte und Wasser in die Schüssel gab und mit einer Hand den Teig knetete. Sie formte kleine ovale Kuchen welche sie in die heiße Asche am Rand des Feuers legte und säuberte ihre Hände an ihrem schlichten Kleid aus braunem Webstoff.
"Ich habe heute Plucked Flower auf dem Feld geholfen. Die Kürbisse wachsen dieses Jahr besonders gut, und mir scheint als ob die Erde in diesem Jahr besonders gütig zu der Ernte ist."

Great Leaper sah von seiner Arbeit auf. Er trug noch immer seinen Haarkamm aus Ameisenbär-Haar, welcher braun und rot gefärbt im Schein des Feuers leuchtete. Auch seine hohen Mokassins hatte er noch nicht abgelegt. Die Haut seines stämmigen Körpers war noch mit Insektenfett eingerieben und glänzte. Sein eckiges Gesicht mit der flachen Nase und den sanften Augen wirkte interessiert. "Das sehe ich genauso. Auch die Früchte an den Bäumen sind größer als im letzten Jahr. Vielleicht ist es der Regen welcher in diesem Jahr milder zu sein scheint."

Shelled Corn lächelte und behielt dabei die kleinen Kuchen im Auge. Schweigend hörte sie ihrem Mann zu als dieser sagte: "Die Tiere scheinen es zu spüren. Sie haben viel mehr Junge bekommen. Der alte Silver hat heute ein ganzes Netz voller Fische aus dem Teich gezogen. Es waren bestimmt dreimal zehn Fische darin!"

Shelled Corn lächelte noch immer und drehte eilig die Kuchen in der Asche, auch wenn es sehr warm an ihren Fingern wurde. "Tatsächlich? Ich gönne es ihm. Der Große Geist meint es gut mit uns. Wir haben so viel in diesem Jahr..."
Sie hörte leises Flüstern aus der hinteren Ecke der Hütte, doch sie musste gar nicht dorthin blicken um zu wissen dass ihre beiden Kinder noch nicht schliefen. Die beiden Jungen waren acht und vier Sommer alt und alles was ihnen heilig war; drei weitere hatte sie im Laufe der Zeit verloren...und sie war dankbar dass ihnen diese beiden geblieben waren. Arrow und Bluebird verbargen sich unter ihren Decken und belauschten ihre Eltern so lange bis sie einfach einschlafen würden.
"Und noch immer haben wir uns, was mehr zählt als alles andere." Sie blickten sich liebevoll lächelnd an, die dunklen Augen im Feuerschein glänzend, ehe Shelled Corn die Kuchen aus der Asche zog und Great Leaper ein weiteres Loch in das Leder bohrte. In diesem Moment zerriß ein gellender Schrei die Stille und sie erstarrten in ihren Bewegungen. Stimmen erklangen, welche von Verwirrung zeugten, dann ein weiterer schriller Schrei von einer Frau, und kurz darauf entsetzte und aufgebrachte Rufe von Männern. Für einige Sekunden starrten sich Shelled Corn und Great Leaper schockiert an, und ihr Gesicht wurde aschfahl. Dann schmiß Great Leaper alles von sich und stürzte zum Ausgang, wobei Shelled Corn sich ebenfalls eilig erhob und hinter ihm her zum Ausgang lief. Draußen wurde es immer lauter; immer wieder ertönten wütende oder ängstliche Schreie, doch sie waren noch weiter entfernt und Shelled Corn dachte im ersten Moment, daß vielleicht wieder eine der Hütten in Brand geraten war. Mit klopfendem Herzen warf sie den Türbehang zur Seite und lief vor den Eingang, um wie angewurzelt stehen zu bleiben. Im Dunkel der Nacht und dem Schein des Feuers liefen etliche Dorfbewohner umher. Männer rannten so schnell sie konnten zum anderen Ende des Dorfes, in ihren Händen hielten sie Speere. Shelled Corn lief nun ebenfalls los, nicht wissend was die Menschen so in Angst und Schrecken versetzte. Wo war ihr Mann, Great Leaper? Sie sah nur dutzende Männer an sich vorbeilaufen, oder Frauen und Alte über die Plätze und durch die Hütten laufen. Sie sah nirgends den hellen Schein einer brennenden Hütte.
Und dann als sie dem südlichen Ende des Dorfes nahe kam sah sie sie....fremde Krieger die wie schreckliche Gespenster aus den Schatten gestürmt kamen und sich auf die Männer stürzten welche sich ihnen entgegen stellten. Sie waren noch etliche Speerwürfe entfernt, doch ihr Anblick allein ließ Shelled Corn erstarren. Wie schemenhafte Schatten tauchten immer wieder neue Krieger aus dem Schein der Feuerstellen auf, und jeder Hieb mit ihren Speeren und merkwürdigen langen Brettern auf die Bewohner ihres Dorfes wirkte tödlich. Ein Angriff....sie wurden angegriffen! Sie musste auf der Stelle flüchten, auch wenn alles in ihr danach schrie ihren Mann zu suchen. Sie musste fliehen und ihre Kinder...ihre Kinder!! Wie von Sinnen machte sie kehrt und rannte den Weg zurück so schnell sie konnte. Doch auch auf der anderen Seite schienen die fremden Krieger in das Dorf einzufallen. Auf ihrem Weg zurück sah sie oft genug einzelne von ihnen in den Hütten verschwinden, und mit Schaudern wurde ihr klar was dort geschehen würde. Überall gellten angsterfüllte Schreie von Frauen und Kindern in die Nacht, oder verzweifelte Rufe der Männer. Es war ein einziges Durcheinander von kämpfenden und flüchtenden Dorfbewohnern. Sie lief an dem sterbenden Cedar Bark vorbei, in seiner Brust steckte ein kräftiger Speer mit roten Federkielen. Der alte Mann umklammerte den Speer während er auf sein Ende wartete und Shelled Corn hilflos und weinend an ihm vorbei rannte. Auch sie schrie nun auf, unfähig ihre Angst zu kontrollieren. Sie sah immer mehr Tote und Verletzte vor den Hütten und auf den Wegen liegen, Frauen, Kinder und Männer, erschlagen oder von einem Speer durchbohrt....und die Angst um ihre Kinder gab ihr die letzte Kraft. Sie sah andere Frauen mit ihren Kindern aus den Hütten flüchten, wusste instinktiv dass ihnen nur die Wahl blieb in den Wald zu laufen, auch wenn sie dort nicht den Schutz der Männer hatten. Tief in ihrem Innersten betete sie dass ihre Kinder nicht die Hütte verlassen hatten, und dass noch keiner der fremden Krieger sie gefunden hatte.

Nicht weit von ihrer Hütte entfernt stürzte einer der Angreifer auf sie zu. Es war als würde er aus dem Nichts kommen, und mit einem furchtbaren Grollen stieß er mit ihr zusammen und zog sie von ihren Füßen. Für einen Atemzug sah sie in sein Gesicht, verborgen unter der fellbezogenen Schädeldecke eines Jaguars - ein hasserfülltes und grinsendes Gesicht, fremd und furchterregend mit den Tätowierungen und dem wilden Blick. Shelled Corn schrie entsetzt und schlug schmerzhaft auf dem Boden auf. Doch gerade als der Krieger sie mit seinem Speer durchbohren wollte wurde er von einem Seneca überraschend angegriffen, und kurz darauf steckte ein Speer in seinem Bauch. Shelled Corn sah nicht ob er starb, sie sah nicht einmal wer ihr da das Leben gerettet hatte; sie rappelte sich nur so schnell sie konnte wieder aus dem Staub auf und rannte taumelnd weiter. Ihr Kleid und ihr Haar waren schmutzig von Staub, und an den Beinen hatte sie Schrammen von ihrem Sturz. Ihre Wangen waren nass von Tränen des Entsetzens. Mit tränenverschleiertem Blick kam sie bei ihrer Hütte an und eilte durch den Eingang. Es war still darin, und mit einem schrecklichen Gefühl lief sie zu den Schlafliegen im hinteren Teil. Und da erhoben sich ihre beiden Söhne von den Decken und kamen ihr schluchzend entgegen. Shelled Corn fiel vor ihnen auf die Knie und drückte sie so fest an sich wie sie konnte, unendlich erleichtert dass sie noch unversehrt waren. Doch von draußen drangen noch immer schreckliche Schreie und Geräusche herein; sie musste Arrow und Bluebird so schnell wie möglich von hier fort bringen. Die beiden Jungen weinten nun ängstlich. Schweigend ergriff sie ihre Hände und zog sie eilig mit sich mit zum Ausgang. Immer wieder betete sie es möge ihnen gelingen zu entkommen. Ihre Beine zitterten wie Espenlaub.

Es gab kein Zurück, sie zog ihre beiden Söhne mit sich mit hinaus in das Chaos und Gemetzel in der Nacht, lief so schnell sie konnte mit ihnen an den Hütten entlang. Sie konnte keinen fremden Krieger mehr sehen, doch sie hörte die entsetzlichen Schreie. Der Wald war nicht mehr fern, wenn doch nur ihr jüngerer Sohn schneller laufen könnte. Panisch hob sie ihn auf ihren Arm und rannte mit Arrow an der Hand weiter, immer näher dem schützenden Wald entgegen. In der Dunkelheit konnte sie kaum erkennen ob nicht im nächsten Moment einer der fremden Krieger aus den Schatten stürzen würde, und diese Ungewissheit machte sie noch verzweifelter. Wer sollte ihren Clan angreifen? Sie hatten noch niemals mit einem anderen Volk oder Clan gekämpft. Noch nie hatte es Schwierigkeiten mit den benachbarten Dörfern gegeben. Die Seneca waren so gut wie isoliert, hier in diesem wunderbaren Herzland...wie konnte es nur geschehen dass man sie auslöschen wollte...ihre Gedanken kreisten und überschlugen sich. Ihre nackten Füße trugen sie nur unsicher vorwärts. So viele Tote, es zerriß ihr das Herz. Und es raubte ihr den Verstand nicht zu wissen ob sie auch später in Sicherheit sein würden. Nur noch selten liefen ihr bekannte Dorfbewohner über den Weg; die Pfade schienen wie ausgestorben, und in der Ferne hörte sie die Rufe und Geräusche der Kämpfenden. Eine der Hütten war in Brand geraten und der Feuerschein erhellte grell die umliegenden Pfade. Shelled Corn rannte mit letzter Kraft dort entlang, den dichten schwarzen Wald bereits vor Augen. Nur noch wenige Speerwürfe trennten sie und ihre Kinder von dem rettenden Schutz des Waldes, doch ihr zweiter Sohn konnte kaum noch mit seinen kleinen Beinen mithalten, sie zog ihn verzweifelt mit sich mit. Da passierte es, Shelled Corn stolperte und fiel der Länge nach hin, und Bluebird fiel aus ihrem Arm und flog einige Handbreit weiter zu Boden. Der kleine Junge rollte einige Handbreit weit und erhob sich dann orientierungslos auf seine Füße. Shelled Corn schrie panisch "Weiter, lauft weiter!!" und rappelte sich mit letzter Kraft auf, genau in diesem Moment traf sie ein harter Schlag auf den Hinterkopf. Es war ein häßliches, dumpfes Geräusch, so als würde ein Kürbis zu Boden geworfen, und mit einem Ruck stürzte sie wieder zu Boden. Alles um sie herum erschien plötzlich wie unter Wasser. Benommen und mit angespannten Gliedern krallte sie sich in den sandigen Boden, hob mühsam ihren Kopf an und konnte noch erkennen, wie ihre beiden kleinen Söhne den Waldrand erreicht hatten und in der Dunkelheit verschwanden; dann traf sie ein weiterer Schlag auf den Kopf welcher ihr Gesicht tief in den Boden presste und den Sand mit Blut tränkte. Und die Welt wurde schwarz um sie herum.

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Dorf der Seneca - Red-Earth  Empty Re: Dorf der Seneca - Red-Earth

Beitrag von Great Hoop 26/1/2013, 23:30

Ein Mann stand auf der kleinen Anhöhe inmitten des dichten Urwalds und blickte reglos vor sich. Große, schwarze Sonnen-Tätowierungen zogen sich über seinen Rücken, seine Arme und Beine. Sein Kopf war an den Seiten kahl, auf seinem Skalp tronte eine Verzierung aus Leder und bunten Federn. Auf seinen breiten Schultern lagen dicke Lederschalen welche ihm als Schutz dienten, darüber feine Streifen aus Jaguarfell. An seinem Hals hingen Ketten aus Jaguarzähnen. Das Jaguarfell zierte auch seinen schmalen Lendenschurz aus Leder an Vorder- und Rückseite. Sein Name war Totec, er war ein Jaguar-Krieger und er hatte vieles erreicht. Nicht nur daß er in seiner Heimat den höchsten Rang hatte erzielen können den man als Geborener der Krieger-Kaste überhaupt erreichen konnte, er war auch derjenige gewesen welcher zuerst mit seinen Männern in dieses Land gekommen war und die hier lebenden Menschen seiner Macht unterworfen hatte. Er war durch die verfluchte Höhle, den Ort der Angst gegangen und unbeschadet hier eingefallen. Das Orakel der Geistlichen hatte Recht behalten - er würde allen Gefahren die Stirn bieten und seine Macht würde großen Einfluß erlangen. Jetzt stand er mit unbewegter Miene da und sah vor sich auf den dichten Wald; selbst von hier aus hatte man eine weite Sicht über das Tal welches sich bis zum Horizont erstreckte, eingegrenzt zwischen vielen Hügeln und Bergen. Ein riesiger Fluß, so breit wie ein unendlicher See, schlängelte sich durch den Wald und teilte sich mancherorts in kleinere Flüsse und Seen auf. Er hob das große Muschelhorn an seine Lippen, holte tief Luft und blies kraftvoll hinein. Drei kurze Töne dröhnten laut in die Stille des Tages: Wo seid ihr? Zwei lange Töne gaben Antwort: Hier. Dann zwei kurze Töne und ein langer Ton: Wir schlagen jetzt unser Lager auf.

Einige seiner Krieger waren schon im Morgengrauen aufgebrochen um weiterhin die Umgebung zu durchkämmen, auf der Suche nach Geflohenen, Überlebenden oder jenen, welche noch immer unbemerkt von ihnen in diesen Wäldern lebten. Wahrscheinlich würden sie erst am nächsten Tag zurückkehren und ihm zeigen was sie hatten auflesen können. Für ihn war das nichts anderes als Bohnen oder Mais zu ernten. Sie nahmen sich nur das was ihnen gehörte, und dazu zählten ganz besonders die Clans die nicht den Ahrkay angehörten. Je mehr Menschen sie auf diese Weise einsammeln konnten desto mehr Macht würden sie erlangen. Sie benötigten zuerst einmal Gefangene um das Land zu ihrem Nutzen zu verändern; Felder mussten erstellt werden um diejenigen ernähren zu können welche später noch folgen würden. Auch benötigten sie Gefangene die als Opfer an die Götter dienten, allein in einem Jahr waren es mehr als fünfmal zwei Hände. Und sie benötigten Gefangene um Tempel und eine neue Stadt zu bauen; denn das war seine Vision die er hatte, und diese würde sich bald erfüllen können. Er würde drei riesige Steintempel in dieses reiche Land bauen lassen, so hoch daß sie den Himmel berührten, so beeindruckend daß niemand es wagte die Ahrkay zu unterschätzen. Tempel um die Götter zu ehren und jene, die in der Gunst der Götter weit oben standen. Dazu gehörten nicht nur Priester und Könige, sondern auch er selbst.
Langsam wandte er sich von seinem Aussichtspunkt ab und ging zurück zu den Kriegern die weiter Abseits auf ihn warteten. Sie hatten es sich auf den moosigen Felsen gemütlich gemacht und waren damit beschäftigt die lästigen Mücken von sich fern zu halten, sprachen jedoch kein einziges Wort und warteten geduldig auf eine nächste Anweisung. Nur fünf waren mit ihm gekommen, hauptsächlich zu seinem Geleitschutz und für den Fall daß sie unterwegs irgend jemanden auflesen konnten, obwohl das eher unwahrscheinlich war. Etwa zweimal zehn weitere Krieger befanden sich in dem Dorf welches sie vor vielen Tagen eingenommen hatten. Der Rest durchkämmte das Land auf der Suche nach weiteren Gefangenen und Dörfern. Sie hatten auf der anderen Seite des Flusses ebenfalls ein großes Dorf gefunden und überfallen, der Ertrag war nicht weniger gut gewesen als hier.

"Zurück in das Dorf," gab er als Anweisung und ging bereits voraus, während die Krieger sich zuerst ein wenig schwerfällig von ihren Plätzen erhoben. Doch schließlich überwog die Voraussicht auf die Bequemlichkeit welche in dem Dorf auf sie warten würde, und so holten sie schon bald zu ihrem Führer auf. Die Regenzeit war bereits vorüber und die Tage wie üblich kurz doch intensiv; tagsüber war es warm und feucht, es regnete in Abständen von einigen Tagen und wechselte mit intensivem Sonnenschein, nachts war es kühler. Die Umgebung war noch immer geschwängert von unzähligen Flüssen, überschwemmten Bereichen und tiefen Seen voller Fische. Die Vegetation war grün und dicht und die Bäume trugen viele reife Früchte. Wie an jedem Tag durchdrangen die Geräusche der tausendfachen Vogelarten und Tiere die Wälder. Es hätte keine bessere Zeit geben können um dieses Gebiet einzunehmen in einer Zeit die so reich war wie jetzt, und das war auch der Grund warum sie so erfolgreich waren. Geruhsam kehrten sie in das Dorf zurück in welchem die Wege und Pfade wie ausgestorben schienen. Die vielen Rundhütten und Langhäuser standen noch immer dort wo sie einst erbaut worden waren; doch das Leben wie es einst hier gewesen war gehörte der Vergangenheit an. Es gab keine kleinen Kinder die lachend spielten und keine Frauen die schwatzend ihre Arbeiten taten. Die Ruhe lag schwer auf der Vergangenheit des Dorfes und wurde jäh von lauten Stimmen und einem Schrei unterbrochen.
Eine der Gefangenen kam in ihr Blickfeld; sie strauchelte vorwärts und stürzte zu Boden während zwei Krieger sie mit langen Bambusstäben schlugen. Ihr bunt gewebtes, knielanges Kleid war schmutzig und an einer Schulter aufgerissen, ihr langes Haar hing ihr wirr ins Gesicht, und an ihren nackten Armen hatte sie rote Schrammen. Sie rief immer wieder irgendetwas was die Männer eh nicht verstehen konnten, sprach sie doch eine ganz andere Sprache wie sie. Die Sprache der Holcane war jedoch deutlich genug um ihr zu zeigen daß sie ungehorsam war und schweigen sollte. Die Schläge mit den Stäben trafen schmerzhaft und unbarmherzig auf ihren Rücken und ihre Schenkel; es würde sie auch noch in einigen Tagen daran erinnern ohne sie arbeitsunfähig zu machen. Manche Gefangene hatten versucht zu fliehen und das Dorf zu verlassen, doch sie konnten nicht ahnen daß sich in nächster Umgebung viele Wachposten befanden. Man hatte sie tagelang auf dem Dorfplatz festgebunden, andere wurden in kleine Hütten gesperrt und es blieb den Anderen verborgen was dort mit ihnen geschah.

Totec und seine Krieger gingen ungerührt an dem Ganzen vorbei und sammelten sich schließlich auf dem großen Dorfplatz, wo er die letzten Anweisungen für die Nachtwache vergab und die Männer schließlich für den Tag entließ. Allein machte auch er sich auf den Weg zu jener Hütte welche er vorerst als seine Unterkunft ausgewählt hatte, ein Langhaus so groß daß drei Familien darin Platz finden könnten. Zu dieser Zeit des Tages war es drückend warm und die beste Zeit verbrachte man in einer Hütte, vor allem wenn man bereits den ganzen Morgen unterwegs gewesen war so wie er. Momentan gab es ohnehin nicht viel zu tun denn sie hatten beinahe alles unter Kontrolle. Bei dem Angriff auf das Dorf hatten sie viele der fremden Männer getötet weil sie versucht hatten den Angriff abzuwehren, auch die Alten wurden getötet weil sie nutzlos waren, und im Eifer des Gefechts hatten seine Krieger auch einige Frauen erschlagen was nicht zu verhindern gewesen war; der Großteil der Bewohner hatte es geschafft zu entkommen, die einzige Niederlage die auf ihre Kosten ging. Seitdem behielten sie die Gefangenen unter Kontrolle, von denen der Großteil Frauen war - sie wagten es kaum sich zu wehren oder zu entkommen. Die wenigen Männer welche sie verletzt gefunden hatten waren kaum zu gebrauchen, denn sie mussten gefesselt und bewacht werden. Die meisten von ihnen waren schon dem Tode nahe.

Schweigend betrat er seine Hütte und durchquerte geruhsam den schattigen Teil in dem sich die Vorräte befanden. Sein Blick richtete sich auf die Feuerstelle im hinteren Bereich wo Tageslicht aus dem Rauchabzug sich in der Mitte bündelte; seine zwei Gefangenen saßen dort und es sah aus als würden sie damit beschäftigt sein Mais zu mahlen. Es waren eine junge Frau und eine von mittlerem Alter, eine für seine Bedürfnisse und die andere für die Dinge im Haushalt. Doch auch sonst mochte er die Abwechslung. Beide Frauen sahen lange Zeit nicht auf als er seine lederne Rüstung ablegte, doch nach einer Weile des Arbeitens hob die Ältere langsam ihren Blick und starrte ihn haßerfüllt an. Die jüngere war vollkommen eingeschüchtert und wagte es nicht auf sich aufmerksam zu machen. Totec bemerkte den Blick und ein belustigtes Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln, ehe er die Frauen ignorierte und sich an das Feuer setzte. Er konnte den Haß der einen und die Furcht der anderen Gefangenen förmlich spüren, und das störte ihn keineswegs. Ohne Furcht gab es keinen perfekten Gehorsam, und den Haß würde er bald vertreiben können. Früher oder später würde jedem der Mut genommen werden, so war es schon immer gewesen.
Er sah die vielen Speisen vor sich welche die beiden Frauen zubereitet hatten. Den ganzen Tag über mussten sie damit beschäftigt sein immer neue Nahrung zu holen und Essen zuzubereiten, denn er hatte ihnen klargemacht daß er den ganzen Tag über eine fertige Mahlzeit verlangte da er keine Geduld hatte um darauf warten zu müssen. Die Art wie sie die Speisen zubereiteten war zwar ungewöhnlich und bei weitem nicht das wonach es ihm verlangte, doch er hatte mit der Zeit Gefallen daran gefunden. Die vielen Fladen, gekochten Bohnen und Kürbisse waren ordentlich in Holzschalen und auf großen grünen Blättern angerichtet. Doch er griff lediglich nach dem eingekochten Fleischeintopf und aß sich daran satt, während die beiden Gefangenen ihre Arbeit beendeten und sich der nächsten Arbeit widmeten. Sie sprachen kein einziges Wort, so als wollten sie nicht daß er ihnen zuhörte. Totec war sich in der Hütte sicher, dennoch behielt er seine Waffen verborgen oder direkt in seiner Reichweite; die Ältere der beiden Frauen hasste ihn noch mehr als die Jüngere, und auch wenn er nicht viel von ihr hielt konnte er nicht ausschließen dass sie vielleicht versuchen würde ihn mit seinen eigenen Waffen zu erstechen. Sein Blick ging hinüber zu jenem Platz an dem es am dunkelsten war und welcher am schwierigsten zu erreichen war. Dort befand sich ein Gestell und darauf lag eine Art Fetisch, von dem er noch nicht wusste was es war; als sie dieses Dorf eingenommen hatten wurde dieses Ding ganz besonders von den Männern umkämpft. Viele alte Männer von denen er glaubte sie könnten Geistliche sein waren dafür gestorben. Einer von ihnen, ein hässlicher alter Zwerg mit blinden Augen hatte schließlich versucht dieses Ding an sich zu nehmen und damit zu fliehen, doch weder seine kurzen Beine noch seine unbekannte Macht hatten ihn davor retten können in die Arme der Holcane zu laufen. Sie hatten ihn gefangen genommen und das war der Moment gewesen als Totec ein merkwürdig intensives Gefühl gespürt hatte, nur weil er diesem Ding zu nahe gekommen war. Es musste eine große Macht darin verborgen sein, denn wann immer jemand versuchte es zu berühren drängte die Macht ihn zurück. Er musste verstehen was es damit auf sich hatte, denn erst dann würde er es vernichten können.

Der merkwürdige Zwerg hatte lange gekämpft bis er seinen letzten Atemzug getan hatte. Totec hatte gehofft daß sein Tod vielleicht auch den Tod der Macht dieses Dings zur Folge haben würde, doch das hatte sich nicht erfüllt. Der Zwerg hatte tagelang schweigend und gefesselt an dem Pfahl gesessen, hatte geschrien als man ihm die Finger abgehackt und die Ohren abgeschnitten hatte, und war schließlich jämmerlich verblutet als man ihn wie einen Tapir ausgeweidet hatte. Vielleicht war er so etwas wie der Anführer oder der Geist dieser Menschen gewesen, denn sein Leiden und sein Tod hatte die Gefangenen in eine lähmende Zeit des Entsetzens geführt, ungläubig darüber ihn derart verloren zu haben und allem beraubt was ihnen noch Hoffnung gegeben hatte. Die Gefangenen wurden gefügiger, doch die Macht des merkwürdigen Bündels blieb. Eine Weile starrte sein Blick noch auf dieses Zentrum der Macht ehe er sich davon losriß und sich nach den beiden Frauen umsah. Sie saßen beisammen auf einer der Liegen, die Köpfe zusammen gesteckt, und waren darum bemüht sich darauf zu konzentrieren Kleidung zu nähen und zu verzieren. Sie wussten daß sie sich später von dem Essen nehmen durften welches er übrig gelassen hatte, denn jetzt war er gesättigt und da es bereits Abend war lag auch nichts besonderes mehr an. Genug der Überlegungen, Pläne und Strategien, jetzt hatte er Zeit sich auszuruhen und sich zurück zu lehnen. Ein wenig Hilfe konnte er dazu gebrauchen. Also sagte er laut und deutlich:

"Du, komm' her!"

Die beiden Frauen schienen förmlich in sich zusammen zu sinken und erstarrten. Die Schatten der Hütte verbargen ihre Körper, doch er wusste sehr genau wie sie aussahen und die Vorstellung der Jüngeren in seinen Gedanken genügte ihm vollkommen um in Stimmung zu kommen. Dieses Spielchen spielten sie schon eine ganze Weile mit ihm und noch immer hatten sie es nicht gelernt sofort zu ihm zu kommen wenn er sie rief. Er hatte einen langen Tag hinter sich und jetzt war er die Spiele leid.
"Komm' her zu mir!", sagte er noch einmal in drohendem Ton und zeigte dabei mit der Hand in die Richtung der jüngeren Frau. Die beiden Gefangenen sahen furchtsam zu ihm auf und als schließlich die jüngere von der Liege aufstand und gehorsam zu ihm ging, war ihr Gesicht blass vor Angst und starr in der Erwartung dessen, was auf sie zukommen würde. Gelassen betrachtete er sie als sie mit gesenktem Blick vor ihm stand. Er mochte die Art wie das Feuer ihre helle Haut strahlen ließ. Und er mochte es daß sie aus Angst vor ihm erzitterte. Ihr dünnes Kleid lag sanft auf ihrem schlanken Körper und ihr langes, schwarzes Haar hing über ihre Brüste. Das genügte ihm, und so deutete er auf seine eigene Liege nicht weit entfernt.

"Leg dich hin."

Ihr Blick ging voller Schrecken zu dem Schlafplatz, doch sie wusste daß sie keine andere Wahl hatte. Wie schon unzählige Male zuvor folgte sie seinem Befehl und ging zu der Liege um sich darauf zu legen und auf ihren Peiniger zu warten. Totec trank noch einen Schluck Tee um sich zu stärken ehe auch er zu seiner Liege ging und sich dazulegte. Das Holz knarzte laut unter seinem Gewicht auf, während die junge Frau ihren Blick starr auf das Feuer gerichtet hielt. Die Ältere von ihnen blieb in den Schatten sitzen und versuchte nicht dorthin zu sehen, doch sie hörte jedes einzelne Geräusch welches sie mit noch mehr Haß und Ekel erfüllte. Und während die Zeit verging und ihre Gedanken sie quälten spielten ihre Finger mit der Knochenahle in ihrer Hand. Ein kleiner Blutstropfen quoll aus der Haut...und ein neuer Gedanke, ein klein wenig Hoffnung drängte sich in ihr auf. Sie wollte nicht daß der Fremde jemals wieder ihre Cousine berührte, und auch nicht sie. Er hatte vielleicht seine ganzen Waffen bei sich, doch sie hatte wenigstens noch ihren Verstand.

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Dorf der Seneca - Red-Earth  Empty Re: Dorf der Seneca - Red-Earth

Beitrag von Great Hoop 28/1/2013, 11:59

Am zweiten Tag nachdem sie auf die Suche geschickt worden wahren kehrten die Krieger zurück in das Dorf. Sie hatten weite Kreise gezogen und waren so systematisch wie möglich vorgegangen um jeden Bereich in der Umgebung des Dorfes abzudecken, doch es war nicht leicht in dem oft unwegsamen Gelände voller Flüsse, Seen, Hügel und Abgründe voran zu kommen. Trotz ihrer Erfahrung in diesen Wäldern welche voller Gefahren waren, Wälder in denen es vor Jaguaren, giftigen Schlangen und Spinnen, Kaimanen und anderen Dingen wimmelte, trotz ihrer Erfahrung im Aufspüren von Versteckten und entlegenen Dörfern hatten sie keinen großen Erfolg gehabt. Nur drei halb verhungerte Kinder hatten sie gefunden und mit in das Lager gebracht, denn es war besser als nichts in ihren Händen um vor ihren Anführer zu treten. Totec hatte befohlen die Kinder bei ihnen zu lassen und sie wie die anderen Gefangenen auch zu behandeln; denn er sagte die Kinder von heute waren die besten Sklaven für morgen. Sie würden schneller lernen und sich besser an ihre Wünsche anpassen können. Also wurden die zwei Jungen und das Mädchen verschiedenen Hütten zugeteilt und die Arbeit konnte weitergehen. An diesem Tag herrschte eine Art Aufbruchstimmung unter den Holcane, denn heute würde eine wichtige Aufgabe auf sie zukommen.
Totec hatte bereits Tage zuvor darüber gesprochen und hatte ihnen ausführlich erklärt was sie zu tun hatten, und heute stand sein Entschluß fest daß der richtige Tag gekommen war. Es hatte bereits seit drei Tagen nicht geregnet und die Hölzer waren trocken genug. Der Wind war ruhig und würde nichts in Gefahr bringen. Er musste die meisten seiner Krieger hinaus schicken damit sie das Tal bis zum Fluß in einem weiten Bogen einkreisen konnten, was allein schon eine Weile dauerte. Doch als schließlich aus jeder Richtung die Hörner erklangen konnte es beginnen. Kurz darauf zogen die ersten Rauchschwaden in der Ferne auf, erst im Süden, dann weiter im Westen. Als der Rauch immer stärker und dunkler wurde und sich über den Baumkronen ausbreitete ahnten die ganzen Tiere bereits welches Unheil sich seinen Lauf bahnte; ganze Scharen von Vögeln und anderen Tieren, ob in der Luft oder am Boden, nahmen reißaus und flüchteten in die anderen Himmelsrichtungen. Der Wald begann zu brennen und schon bald sah man die Flammen in der Ferne züngeln. Eine dicke schwarze Wand aus Rauch stand über den Baumkronen. Das Feuer würde alles was dort wuchs niederbrennen und somit den Boden freimachen, ihn gleichzeitig nahrhafter machen und es erleichtern eine große freie Fläche zu erstellen, auf der man eine riesige Stadt und Tempel aus Stein bauen konnte. Es sah alles so aus wie es sein sollte, das Feuer drehte nicht plötzlich ab sondern fraß sich immer weiter vorwärts; nun kam es nur darauf an daß es nicht das Dorf erreichte oder die bestehenden Maisfelder zerstörte. Das würden einzig die Götter entscheiden, nämlich dann ob sie im rechten Moment Regen schickten oder nicht. Die ausgesendeten Krieger hatten nun genügend Möglichkeiten um so viel von dem flüchtenden Wild zu erlegen wie sie konnten. Wenn sie später zurückkehrten würde es ein Fest im Dorf geben in dem reich gegessen und getrunken wurde. Und die Götter würden vielleicht ein Einsehen haben wenn sie ein würdiges Opfer erhielten.


In der Hütte war es warm und stickig. Fünf Seneca saßen beisammen auf dem blanken Boden, allesamt mit Seilen auf dem Rücken gefesselt und an Haken im Boden befestigt. Wie schmutzige Hunde saßen sie bereits seit Tagen und Wochen da und konnten nur dann das Tageslicht sehen wenn sie sich erleichtern durften, oder wenn man sie in eine andere Hütte brachte oder sie brutal verhörte. Es waren drei erfahrene, ältere Männer welche eine große Familie durch den Angriff verloren hatten, und zwei jüngere Männer von nicht einmal zwanzig Sommern welche noch ihr ganzes Leben vor sich hatten. Einer von den jüngeren war Hole in the Sky, und er war schwer verletzt und dem Tode näher als dem Leben. Seine Schulter war von einem Pfeil getroffen worden, und da sie hier nicht versorgt wurden hatte sich die Wunde nicht richtig schließen können. Immer wieder hatte es sich entzündet und Fieber hatte ihn geschüttelt, und erst dann hatten die fremden Krieger versucht die Wunde mit einem heißen Dolch auszubrennen. Doch die Pfeilspitze steckte tief in der Wunde und es war eine Frage der Zeit wann Hole in the Sky sterben würde. Er lag reglos und teilnahmslos da, nicht fähig zu essen oder zu trinken.
Die anderen Männer hatten ebenfalls Verletzungen abbekommen, doch diese waren nicht so schlimm um daran zu sterben. Schlimmer war der ständige Hunger und Durst der sie alle gleichermaßen plagte; man gab ihnen selten Nahrung und wenn dann war es nicht genug für sie alle. Schon bald wurden sie magerer und schwächer, doch ihr Kampfgeist war noch nicht gebrochen. Sie hatten gesehen und gehört wie man Crowspirit zu Tode gemartert hatte, etwas was ihnen zuerst jegliche Hoffnung genommen hatte, denn Crowspirit wäre der einzigste gewesen dem es möglich war den Großen Geist um Hilfe zu bitten. Und wenn er tot war dann musste auch das Wolfsbündel verloren sein. Doch sie wussten daß dort draussen noch immer Mitglieder ihrer Familien und ihres Clans am Leben waren. Solange dies der Fall war würden sie niemals aufgeben, selbst wenn es keine Hoffnung gab, es war das einzigste was auch sie am Leben hielt. Dennoch hatten sie schon seit einer Weile aufgehört miteinander zu sprechen, denn es gab nichts mehr was sie einander in diesen Zeiten sagen konnten. All die Erinnerungen und Hoffnungen hatten sie längst miteinander geteilt. Ihr Vorteil war daß diese Fremden sie nicht verstehen konnten, und doch versiegten ihnen die Worte.

Nicht weit von ihnen entfernt saßen drei Holcane auf den Matten und Liegen, bei einem von ihnen saß ein kurhaariger, graublauer Hund, die anderen hatten ihre Speere und Keulen sorglos neben sich liegen, und heute wirkten sie allesamt ein wenig launisch und genervt. Sie hatten gehofft daß man sie ebenfalls in das Tal schicken würde was für sie eine gute Abwechslung bedeutet hätte, doch stattdessen wurden sie dazu verdonnert hier auf die Gefangenen aufzupassen was einer Strafe gleichzusetzen war. Es war eine langweile Aufgabe, denn sie durften die Hütte nicht verlassen und schlafen durften sie schon gar nicht. Also vertrieben sie sich die Zeit damit ihre Waffen zu pflegen oder - so wie jetzt - ein Glücksspiel zu spielen. Sie spielten ein Spiel mit drei kleinen Wirbelknochen eines Pacas, die einen Gewinn erzielten je nachdem wie sie gewürfelt wurden und am Boden zum Stillstand kamen. Und gewettet wurden nicht nur Ketten sondern auch Pfeilspitzen und sogar Gefangene aus dem eigenen Besitz. Zwar war dies kein todernstes Spiel doch immer wieder fluchte einer von ihnen auf weil er verloren hatte, während die anderen laut gröhlend jubelten.
Das letzte Spiel wurde jäh unterbrochen als der schwere Vorhang im Eingang beiseite gehoben wurde und jemand die Hütte betrat. Schweigen entstand während die Gefangene mit einem Korb voll Maisfladen in den Händen auf sie zukam; sie war eine junge Frau names Little Robe und wurde zum ersten Mal in diese Hütte geschickt um den Kriegern das Essen zu bringen. Sie hatte große Furcht und sie zögerte während sie mit langsamen Schritten näherkam, doch ihr Herz schlug nicht nur schnell wegen ihrer Angst sondern auch weil dort die Männer saßen die ein Teil ihres Lebens waren. Einer von den jüngeren Männern names East Wind hob nun seinen Kopf an, und als er Little Robe in das Licht treten sah erstarrte er in einem Sturm aus Gefühlen. Er hatte sie einst umworben und sie hatte ihm ebenfalls ihre Zuneigung gezeigt, doch bevor er sie zu seiner Frau hatte nehmen können wurde ihrer beider Leben jäh von den Fremden zerstört. All die Tage und Wochen hatte er überlegt und gehofft daß sie entkommen konnte und nicht getötet wurde, hatte an sie gedacht und an die Zeit die sie niemals gemeinsam würden verbringen können. Und nun stand sie nur wenige Speerwürfe von ihm entfernt und blickte ihn mit Augen an die deutlich aussagten wie sehr es sie aufwühlte ihn hier zu sehen. Nicht tot, aber doch gefangen und dem Ende nahe. Sie wirkte gesund und unverletzt, trug ein sauberes Kleid doch keine Mokassins, ihre Haare waren zu einem Zopf geflochten und er musste sich eingestehen daß sie noch immer wunderschön war, und für einen Moment glaubte er zu träumen. Doch hinter sich hörte er das leise Gemurmel der anderen Männer welche ebenfalls erstaunt und erfreut waren sie zu sehen. Es war kein Traum.

Nun stand sie da und traute sich keinen Schritt weiter während sie den Korb mit den Maisfladen in ihren Händen hielt. Das schien die Holcane zu amüsieren denn sie wechselten grinsend einige Blicke miteinander, und einer von ihnen names Ichtaca lachte leise auf. Er saß auf der Liege an der Wand und winkte der jungen Frau damit sie näherkam, doch sie blieb wie angewurzelt stehen und senkte verstört ihren Blick. Er lachte wieder auf, das war weitaus besser als das Glücksspiel zuvor.
"Na was ist denn, warum so schüchtern...?", sagte er grinsend und nun mussten die anderen beiden Männer auch auflachen. Little Robe sah ihn durchdringend an ohne ein Wort verstanden zu haben, und hielt ihm schließlich den Korb entgegen ohne auch nur einen einzigen Schritt auf ihn zuzugehen. Sie würde sich hüten ihm zu nahe zu kommen! Auch wenn sie wusste daß man sie jederzeit bestrafen könnte wenn sie nicht gehorchte. Und der Fremde der sie so grinsend angaffte sah furchtbar aus mit der riesigen Schlangentätowierung an seiner Schulter, den Zähnen mit den eingesetzten Steinen und dem kleinen Stab in seiner Nase. Ichtaca grinste noch immer doch in seine Augen stahl sich ein verdächtiges Funkeln; er streckte seinen Arm aus um nach dem Korb mit den Maisfladen zu greifen, doch stattdessen griff er nach ihrem Handgelenk und packte sie so fest daß sie sich ihm nicht entziehen konnte. Erschrocken ließ sie den Korb fallen und die Fladen landeten auf dem Boden während Ichtaca sie an sich zog. Die anderen beiden Männer lachten laut los und waren sehr angetan von dem Schauspiel das sich ihnen bot. Ichtaca hielt Little Robe fest in seinem Arm während sie versuchte ihn von sich weg zu drücken, und daß sie sich so sträubte obwohl er nur mit ihr spielen wollte stachelte seinen Übermut an. Während sein starker Arm sie fest umklammert hielt strich seine andere Hand anzüglich über ihr Gesäß und schob den Rockteil des Kleides hoch. Little Robe jammerte entsetzt auf und schlug mit ihren Fäusten auf seine nackte Brust, und sein Atem auf ihrem Gesicht nahm ihr die Luft.
Ein Aufschrei mischte sich dazu, als East Wind ihnen zubrüllte er solle sie in Ruhe lassen. Sie hörte ihn immer wieder schreien, "Nimm deine dreckigen Finger von ihr!!" und es trieb ihr vor Verzweiflung die Tränen in die Augen, denn dass dies vor den Augen ihres Geliebten geschah war der schlimmste Moment in ihrem Leben. Sie wandt sich und zappelte doch der Krieger ließ sie nicht los, er wurde sogar grober in seinen Berührungen. Seine Hand krallte sich fast schmerzhaft in ihren entblößten Po und sie spürte seinen Atem an ihrem Hals, ein schreckliches Gefühl was sie sich schmutzig fühlen ließ während die anderen Krieger nur lachten. Sie sah wie East Wind schon vor Wut auf den Knien hockte und der ältere Two Rivers Running auf ihn einredete er sollte still sein, konnte einzig der Strick an seinen Händen ihn zurückhalten.

Die Holcane hießen diese Abwechslung überaus willkommen. Was für ein Schauspiel! Und wie die Gefangene sich wehrte! Bis Ichtaca plötzlich aufschrie und von ihr abließ, weil Little Robe ihm ihr Knie in die Weichteile gerammt hatte. Sie machte sich aus seinem Griff frei und lief weinend aus der Hütte, während Ichtaca laut stöhnend vornüber sank und sich den Schritt festhielt. Seine beiden Kriegerfreunde brüllten auf vor lachen und schlugen sich auf die Knie, konnten sich eine ganze Weile nicht mehr beruhigen und lachten bis ihnen die Augen tränten. Selbst der Hund bellte. Nicht nur daß eine Gefangene ihn so außer Gefecht gesetzt hatte, allein sein Anblick wie er gekrümmt auf dem Boden lag und keuchte war Goldwert. Schließlich kam Ichtaca wieder einigermaßen zu sich als der Schmerz nachließ. Wütend griff er nach einem Fladen vom Boden und schmiß ihn den beiden Männern entgegen, welche kichernd auswichen.
"Mann die hat es dir aber richtig gegeben Ichtaca!"
"Ach haltet die Klappe!!" Er stand mühsam vom Boden auf und versuchte sich stolz und gerade hinzustellen und seine Knie sauber zu wischen, auch wenn seine Männlichkeit noch immer höllisch schmerzte. Das würde er diesem Biest heimzahlen, doch jetzt musste er die Sache anders gerade biegen. Vor den anderen beiden stand er jetzt schlecht da, was ihn noch mürrischer werden ließ. Mit dem Fuß kickte er einen Fladen in Richtung der gefangenen Männer und setzte sich dann wieder auf die Liege, wo er schweigend sitzenblieb und sich nicht an dem Glücksspiel beteiligte welches die anderen beiden Männer schon wieder begonnen hatten.

East Wind konnte seine Aufregung und Wut nur schwer unterdrücken. Eine zeitlang saß er schwer atmend da und schwor sich diesen Fremden umzubringen sobald er die Gelegenheit dazu haben würde. Er wusste daß Little Robe alleine auf sich gestellt dort draußen war, und er konnte sie nicht beschützen was ihn fast wahnsinnig machte. Gleichzeitig machte es ihn mutloser als zuvor und das schien der ältere Two Rivers Running zu spüren. "Ich weiß du sorgst dich um sie. Doch sie lebt und wenn der Große Geist so will wird sie durchhalten," flüsterte er leise und sah wie East Wind schweigend nickte. Mehr konnte er nicht für ihn tun, denn was blieb ihnen hier schon übrig? Vielleicht würden sie diese Hütte niemals wieder lebend verlassen. Er konnte ihm nicht einmal die Hoffnung geben daß sie oder Little Robe jemals wieder in Freiheit leben konnten. Es musste schon ein Wunder geschehen.


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Dorf der Seneca - Red-Earth  Empty Re: Dorf der Seneca - Red-Earth

Beitrag von Great Hoop 29/1/2013, 00:04

Waiting Moon legte das Bündel voll Maismehl beiseite und strich sich erschöpft über die Stirn. Sie hatte schon seit Stunden dort gesessen um den hart getrockneten Mais auf dem Mahlstein zu mahlen, nicht nur damit die Körbe voller Bündel noch gefüllter waren und sie nicht täglich diese anstrengende Arbeit verrichten mussten, sondern auch weil sie manchmal diese Arbeit brauchte um ihren Frust und ihre Verzweiflung irgendwie loszuwerden. Manchmal half es dafür zu schwitzen, doch die beste Methode war es wohl die gewebten Teppiche mit voller Wucht auszuklopfen oder die harten Knochen eines Tapirs mit einem Stein zu spalten, um neue Knochenahlen herzustellen. Und an einer Knochenahle hing nun ihre ganze Hoffnung. Sie verschnaufte eine Weile und blickte sich in der großen Langhütte um; alles war sauber gefegt und sorgsam beiseite geräumt. So viele Vorräte wie in dieser Zeit hatten sie wohl noch nie zuvor gehabt in einem Jahr. Ihre Gedanken schweiften nur kurz in die Vergangenheit in der alles besser gewesen war...sie schien bereits so weit entfernt zu sein. Irgendwann hatte sie aufgehört kleine Kerben in einen Stock zu schnitzen um die Tage zu zählen die vergingen. Dies hier war die Hütte von Fox Cub und seiner Frau Meadow gewesen, in der sie mit ihren Eltern und ihren fünf Kindern gelebt hatten. Keinen einzigen von ihnen hatte Waiting Moon jemals wiedergesehen seit das Dorf überfallen worden war. Ob sie wohl hatten fliehen können? Oder ob sie ermordet worden waren?
Jetzt lebte sie hier unfreiwillig mit ihrer jüngeren Cousine Golden Flower. Und sie gehörten diesem fremden Krieger mit den schwarzen Sonnen-Tätowierungen am ganzen Körper. Ihr Blick schweifte hinüber zu ihrer Cousine welche schon seit dem frühen Morgen am Webstuhl in der Ecke saß und eine Decke webte. Golden Flower war den ganzen Tag über still gewesen und es schien als hätte sie sich noch mehr in sich selbst zurückgezogen. Waiting Moon sorgte sich um sie, denn sie war das einzigste was ihr von ihrer Familie geblieben war. Da der fremde Krieger schon lange das Langhaus verlassen hatte war den Beiden mehr Zeit füreinander gegönnt in der sie ohne Furcht sein konnten. Sie erhob sich von ihrem Platz nahe der Feuerstelle und ging hinüber zu dem Webstuhl an dem ihre Cousine stoisch ihre Arbeit verrichtete. Das Geräusch von dem Knochenkamm wenn er beim hinunterziehen der Wolle auf den Holzrahmen traf war vertraut und beruhigend. Die Decke würde einmal ein schönes Muster haben wenn sie es fertigstellen sollte. Doch darum ging es Waiting Moon nicht als sie sich neben ihre Cousine kniete und sie betrachtete. Golden Flower wirkte verschlossen und blass. Ihr Haar hing ihr strähnig in die Stirn. Und auch sonst erschien ihr Anblick besorgniserregend.

"Cousine...gönn dir eine Pause. Du hast seit dem Morgen schon nichts mehr gegessen, nicht wahr?"

Golden Flower schüttelte sachte ihren Kopf, beendete jedoch nicht ihre Arbeit. Geschickt fädelten ihre Finger die verschiedenen Fäden in die Leitfäden des Rahmens, und kurz darauf zog sie den Knochenkamm hinab und klopfte alles fest. Waiting Moon betrachtete noch immer ihr Profil, und legte schließlich liebevoll ihre Hand auf ihre Schulter.

"Sag mir was dich bedrückt...?"

Einen Moment zupfte Golden Flower noch an den Fäden und es schien als würde sie wieder nicht antworten, doch dann brach ihr Widerstand zusammen. Ihre Schultern sackten hinab und sie lehnte sich in einer endlos hilflosen Geste nach vorne, lehnte ihre Stirn gegen die Leitfäden und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Sie schluchzte gequält auf, und Waiting Moon war im ersten Moment sehr erschrocken. Doch sie konnte ihre Cousine so sehr verstehen. Der Fremde schien es ganz besonders auf sie abgesehen zu haben und behandelte sie als wäre sie weniger Wert als es einer Frau zustand. Jeder würde unter dieser Behandlung zugrunde gehen. Waiting Moon zog ihre Cousine an sich und hielt sie erst einmal beschützend in ihren Armen. Golden Flower schluchzte und weinte und es schien als würde sie sich gar nicht mehr beruhigen können. Waiting Moon musste unbedingt wissen warum sie gerade heute so verzweifelt war, und so drückte sie Golden Flower ein wenig von sich um ihr in die verheulten Augen zu blicken. Sie drängte sie nicht und sah sie einfach nur fragend an bis Golden Flower endlich antwortete.

"Oh Waiting Moon...! Am liebsten würde ich sterben!" sagte sie mit zittriger Stimme. "Ich trage ein Kind in mir! Er hat es in mich gepflanzt, es ist von...von..."

Sie konnte nicht einmal den Namen aussprechen weil es sie so davor grauste. Und Waiting Moon starrte sie zuerst entsetzt an. Sie hatte immer wieder gehofft und gebetet daß dies niemals passieren würde, ganz gleich wie oft der Fremde ihrer Cousine befahl sich auf die Liege zu legen. Doch ihr war klar daß es wohl irgendwann hatte passieren müssen. Jetzt wo die Wahrheit heraus war begann Golden Flower wieder lauter zu weinen und sie schmiegte sich an ihre ältere Cousine. Waiting Moon tröstete sie mit ihrer Nähe und streichelte sanft ihr Haar während sie noch immer entsetzt vor sich hinstarrte.
"Bist du dir sicher daß es so ist? Hattest du deine Mondzeit schon seit einer Weile nicht mehr?"

"Ich bin mir sicher...ich kann es schon in mir spüren," antwortete Golden Flower leise. Waiting Moon überlegte und tatsächlich hatte sie gar nicht mitbekommen daß ihre Cousine aufgehört hatte das Moos zu benutzen, während sie selbst es jeden Monat hatte tun müssen. Doch warum nur hatte Golden Flower so lange geschwiegen und die Last stattdessen ihrer Seele allein überlassen? Sie waren doch füreinander da, nur sie beide hatten sich noch.

"Es tut mir so Leid Cousine. Doch wir werden das gemeinsam irgendwie schaffen, einverstanden? Bitte rede immer mit mir wenn etwas mit dir nicht stimmt. Auch wenn du jetzt ein Kind in dir trägst werden wir es schaffen. Ich wollte es dir noch nicht erzählen, doch ich werde uns beide retten. Du musst mir dabei helfen, Cousine."
Golden Flower wurde stiller und blickte schließlich zu ihr auf. Ihr trauriger Blick wirkte fast ein wenig ungläubig. "Wie denn? Was hast du vor?"

Waiting Moon blickte sie bedeutend an und zog dabei die Knochenahle aus ihrem gewebten Gürtel, hielt sie vor ihr Gesicht. Die Ahle war dick und stabil und etwa so lang wie eine Hand inklusive Finger. Die ganze Zeit schon behielt sie sie an ihrem Gürtel verborgen und der fremde Krieger hatte keinen Verdacht geschöpft. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal daß die Ahle überhaupt existierte.
"Ich werde ihn töten, Golden Flower...! Doch du musst genau das tun was ich dir jetzt sage: ich werde ihn dazu bringen mich anstatt dich auszuwählen. Er wird sich mit mir auf seine Liege legen so wie er es bei dir immer macht. Und du darfst dir auf keinen Fall etwas anmerken lassen! Wenn du ihn dann schreien hörst will ich daß du zwei leere Wasserblasen schnappst und sofort die Hütte verlässt! Du wirst dich auf dem kürzesten Weg aus dem Dorf stehlen, aber renne nicht sondern geh nur schnell! Wenn dich einer der Fremden anhält sagst du daß du Wasser holen musst. Doch wahrscheinlich wird niemand auf dich achten wenn ihr Anführer so schreit. Du wirst eine gute Chance haben zu fliehen, und dann musst du versuchen so weit wie möglich von diesem Ort weg zu kommen. Vielleicht wirst du dort draußen noch die anderen unseres Clans finden!"

Golden Flower blickte sie mit halb geöffnetem Mund an, ihr Gesicht noch immer naß vor Tränen. Dann nickte sie eilig. "Und was ist mit dir? Ich will dich nicht zurücklassen!"
Waiting Moon steckte die Ahle zurück an ihren Gürtel. "Keine Sorge...ich werde es schaffen dir zu folgen! Doch warte nicht auf mich, sondern lauf weiter so schnell du kannst! Dann werden wir uns wiederfinden. Der beste Ort wäre dort bei dem Berg wo die Sonne am Horizont untergeht."

Golden Flower wirkte als wären ihre Gedanken weit fort, und es schien als würde sie über dieses wahnsinnige Vorhaben nachdenken. Waiting Moon gab ihr so viel Hoffnung, auch wenn sie selbst nicht vollends daran glauben konnte. So viele hatten schon versucht zu entkommen und waren dann doch wieder zurückgebracht worden. Sie würde sie jedoch nicht in Gefahr bringen wenn sie nicht selbst die Hoffnung auf eine Flucht hätte. Draußen wurden Stimmen und Gelächter lauter, was Waiting Moon dazu brachte sich von ihrem Platz zu erheben und hinüber zu dem Eingang zu laufen. Vorsichtig schob sie den Vorhang beiseite und blickte durch den Spalt hinaus; in der Ferne bei der großen runden Versammlungshütte standen viele Krieger und sie unterhielten sich ausgelassen und lautstark vor dem Eingang. Andere kamen hinzu und trugen auf ihren Schultern lange Stangen, an denen tote Nabelschweine und Tapire hingen. Es war merkwürdig und sie fragte sich was dort wohl vor sich ging, es wirkte als würde etwas gefeiert werden. Eine Weile stand sie da und beobachtete wie die Krieger in die Hütte gingen, und später immer wieder Seneca mit Körben und anderen Behältern ein und aus gingen. Dann ging sie zurück zu ihrer Schwester bei dem Webstuhl und kniete sich neben sie.

"Es scheint als würde etwas bevorstehen. Die Fremden versammeln sich in der großen Versammlungshütte, und es wird Essen hinein getragen. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als heute um das zu tun wovon ich dir erzählt habe. Wenn wir Glück haben werden sie die ganze Nacht so laut sein wie jetzt, und es wird nicht so schnell auffallen."
Waiting Moon erwiderte lächelnd den Blick ihrer Cousine, streckte ihren Arm aus und streichelte sanft über ihre Wange. "Und jetzt solltest du mir dabei helfen mein Haar glatt zu kämmen, damit es heute besonders schön glänzt."


Spät am Abend löste sich Totec aus der angeheiterten Unterhaltung seiner Krieger und leerte den letzten Rest aus seinem Becher. Die große Hütte war voll ausgefüllt mit den Männern welche schon den ganzen Nachmittag gegessen und getrunken und noch immer nicht genug hatten; es gab viele gegrillte Nabelschweine, einen fetten Tapir und etliche verschiedene, über den Feuern geröstete Vögel, Frösche und Insekten, welche immerzu von den Gefangenen neu hereingetragen wurden. Ganz zu schweigen von den vielen Früchten, Gemüse und Fladen welche man ihnen dazu auftischte. Ebenso wichtig erschien es den Männern reichlich zu trinken, und heute gab es keinen Tee und kein Wasser, sondern vergorenen Saft aus Palmfrüchten der den Kopf benebelte. Totec selbst hatte nur einen Becher davon getrunken, denn er wollte nicht daß sein Verstand derart außer Kontrolle geriet wie bei vielen seiner Krieger. Aus diesem Grund hatte er auch einige von ihnen ausgewählt um sich ebenfalls zurückzuhalten, denn einige Dinge konnten schnell außer Acht geraten. Das große Feuer im Tal wurde von wenigen Wachposten im Auge behalten, und bisher schien es dabei keinen Grund zur Sorge zu geben. Vielleicht lag es auch daran daß sie vor diesem Gelage einen der Gefangenen geopfert hatten, einen der eh schon dem Tode nahe war und bald gestorben wäre. Sie hatten ihn mit Steinen beschwert im Wald in eines der endlos tiefen Wasserlöcher geworfen um ihn den Göttern der Unterwelt darzubringen.
Totec beobachtete noch einmal das Treiben in der Hütte. An dem großen Feuer saßen jene die sich lautstark alle erdenklichen Geschichten heroischer und anzüglicher Art erzählten; nicht weit entfernt hatten sich jene zusammengetan die stundenlang ihre Glücksspiele spielten und dabei mitunter auch mal handgreiflich wurden weil sie viel verloren hatten; hier und da lagen Männer herum und schliefen ihren Rausch aus, andere hatten sich eine Gefangene ausgesucht, sie mit dem Saft betrunken gemacht und waren mit ihnen in einer dunklen Ecke verschwunden; doch am liebsten waren ihm noch jene die drum herum Grüppchen bildeten, beisammen standen und einfach unbefangen redeten. Jetzt jedenfalls hatte er erst einmal genug von diesem Abend. Er hatte sich an vielen von diesen Gesprächen beteiligt, hatte sich satt gegessen und den Abend genossen, doch jetzt brauchte er ein wenig Ruhe. Außerdem wollte er nach seinen Gefangenen sehen, denn er hatte ihnen schon am Morgen ausdrücklich befohlen daß sie heute nicht die Hütte verlassen sollten. Vielleicht würde er später noch einmal in diese Hütte zurückkehren, doch vorerst gab er seine letzten Anweisungen an die Wachen im Ausgang und verließ dann den Ort der Ausschweifungen.

Die Nacht war trocken und ein wenig kühler als der Tag, die Luft erfüllt von dem Krach aus der Hütte und dem Zirpen der Zikaden in den Bäumen. Auf den Wegen und Pfaden des Dorfes zeigte sich kaum jemand. Ein feiner Rauchgeruch hing in der Luft wann immer er aus der Ferne von dem Waldbrand herüber getragen wurde. Der Mond schien klar vom Himmel und erhellte den Weg den Totec ging als er sich seinem Langhaus näherte. Ohne Umschweife schob er den Vorhang beiseite und ging durch den dunklen, vorderen Bereich hin zu der hell erleuchteten Feuerstelle. Schon von weitem sah er daß die beiden Frauen dort waren; die Ältere saß am Feuer und bereitete einen Tee zu, die Jüngere saß auf einer der Liegen und nähte an einem Stück Leder. Totec schwieg als er zu seiner Schlafliege ging und seinen Schultergurt mit dem Dolch dort ablegte. Heute trug er nicht seinen Lederschutz also konnte er direkt zu der Feuerstelle gehen ohne ihn ablegen zu müssen. Sein Blick fiel auf das Essen das wie immer dort angerichtet war, doch jetzt wo er satt war erschien ihm dieser Anblick nicht gerade erfreulich. Er ignorierte die Speisen vollkommen und setzte sich entspannt hin, einen Arm auf sein angewinkeltes Bein ruhend, und sah wie Waiting Moon nach einer Kürbisschale griff und von dem heißen Tee aus dem Kochsack schöpfte. Dann hielt sie ihm die Schale hin und er nahm sie schweigend aus ihrer Hand. Während er immer wieder einen Schluck von dem Tee trank blickte er in das Feuer und dachte an den Tag zurück. Er fühlte sich großartig, denn der Tag war großartig verlaufen. Jetzt hieß es nur noch auf den Regen zu warten und vielleicht würde dieser schon am nächsten Tag kommen. Aus dem Augenwinkel sah er wie Waiting Moon still in der Glut stocherte, und schließlich richtete er seinen Blick auf sie und betrachtete sie. Irgendetwas an ihr wirkte anders. War es weil sie ihm so selbstverständlich den Tee reichte? Oder weil sie ihn nicht einmal ansah, obwohl sie ihn doch sonst beobachtete als wäre er eine giftige Schlange?
Sein Blick ging hinüber zu der jüngeren Frau hinten bei der Liege, doch die verhielt sich wie immer so als wäre sie ein Schatten. Er konnte sie nicht einmal richtig in dem Licht erkennen. Prüfend nahm er seine leere Teeschale auf und hielt sie wortlos Waiting Moon hin. Sie bemerkte seine Aufforderung und nahm ihm die Schale ab um sie erneut mit Tee zu füllen. Seit wann war sie so gehorsam und gefügig? Er sah ihr volles glänzendes Haar das ihr auf den Rücken fiel, ihren gesenkten Blick mit den langen Wimpern und ihr schlankes Profil. Sie hatte die Schale neu gefüllt und als sie ihm den Tee anbot erwiderte sie seinen Blick aus ihren mandelförmigen Augen. Totec nahm die Schale und stellte sie neben sich ab, und noch immer erwiderte sie weder haßerfüllt noch feindselig seinen Blick. So wie sie jetzt war hatte er diese Frau noch nie gesehen, und das verwunderte ihn. Er bemerkte zum ersten Mal ihren langen Hals und sah daß ein Ärmel ihres Kleides hinab gerutscht war und eine Schulter entblößte.

Waiting Moon hoffte daß ihr Plan aufgehen würde; sie wußte daß sie keineswegs unattraktiv war und um ihn nicht misstrauisch zu machen hielt sie sich so gut es ging zurück. Er durfte nicht glauben daß sie sich ihm anbot, er sollte sie von sich aus wollen. Und auch wenn sich alles in ihr davor sträubte hielt sie durch. Sie wirkte äußerlich ruhig doch innerlich war sie aufgeregt, und sie musste sich sehr konzentrieren damit ihre Hände nicht vor Angst zitterten. Jetzt konnte sie keinen Rückzieher mehr machen, er sah sie bereits mit diesem Blick an den er sonst nur ihrer Cousine zuwarf, und das hieß daß es schon bald um ihr Leben gehen würde. Ihr Herz schlug schneller als er sie noch immer durchdringend ansah und schließlich mit dem Kinn in Richtung seiner Schlafliege deutete. Für einen Moment zögerte sie und fragte sich was in sie gefahren war...doch dann senkte sie ihren Blick und erhob sich so ruhig wie möglich von ihren Knien. Sie war froh daß er nicht die Furcht in ihren Augen sehen konnte als sie der Schlafliege immer näher kam, und sie inständig hoffte daß ihre Cousine ruhig bleiben würde. Sie kam bei der Liege des Schreckens an und blieb stehen um leise tief durchzuatmen. Sie war stark genug um das zu schaffen, rief sie sich ins Gedächtnis. Als sie sich umsehen wollte bemerkte sie plötzlich daß Totec direkt hinter ihr stand und sie unsanft auf die Liege stieß, was sie vor Schreck fast aufschreien ließ. Doch sie konnte sich gerade noch so zurückhalten und sah hektisch atmend zu ihm auf. Er wirkte bedrohlicher denn je als er sich vorneigte und langsam auf die Liege an ihrem Fußende stieg ohne sie auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Er kam immer näher und ihr Herz schlug immer wilder. Sie durfte jetzt keinen Fehler machen sonst war alles verloren..
Jetzt war er bei ihr und lehnte sich mit seinem Gewicht auf sie, was es ihr schwer machte ihre Panik zu unterdrücken. Routiniert drückte seine Hand ihre Beine auseinander, und als sein Gesicht sich auf ihre Brüste lehnte und seine Hand ihr Kleid hochschob um über ihr Gesäß zu streicheln betete sie daß er nicht ihr wild schlagendes Herz hören konnte. Sie blieb ganz still und reglos, erfüllt von Ekel und Hass, und biss sich auf die Zunge als er ihr Kleid weiter herunterzog um ihre Brust zu befreien. Gleichzeitig fragte sie sich wann der richtige Zeitpunkt gekommen war um all ihren Mut zusammen zu nehmen. Vielleicht hätte sie sonst ihren Verstand verloren, doch jetzt blieb sie aufmerksam und behielt ihre Augen geöffnet. Spürte wie er an ihrer Brust saugte und seine Hand über ihren Schenkel streichelte. Hörte seinen Atem der immer schwerer wurde und tiefer ging. Sie musste es tun bevor er ihre Hände neben ihrem Kopf festhielt und in sie eindrang, also tastete ihre Hand vorsichtig an ihrem Kleid entlang zu ihrem Gürtel hin. Ihre Finger und ihr ganzer Körper zitterten vor Anspannung. Sie hatte die Knochenahle genau an der Seite festgesteckt damit sie sie besser erreichen konnte. Sie schloß schweigend und betend ihre Augen und zog sachte die Ahle aus dem Gürtel um sie in ihrer Handfläche zu verbergen; Totecs Mund hatte sich von ihrer Brust zu ihrem Hals hochgearbeitet und sie atmete tief durch um noch ein letztes mal Kraft zu gewinnen. Ihre Arme legten sich um seine nackten Schultern so als wolle sie ihn an sich pressen, und gleichzeitig hatte sie einen guten Blick auf die eine Seite von seinem Hals.

Sie legte eine Faust um das stumpfe, breite Ende der Ahle und sah die zitternde Spitze direkt auf seinen Hals gerichtet während er im Rausch der Lust war und nichts davon ahnte. Doch gerade als sie ausholte hob er mit einem Ruck kraftvoll ihr Bein an um zuzustoßen. Bevor es dazu kam rammte sie die Knochenahle in sein Fleisch...doch sie traf nicht seine Halsschlagader! Die Spitze rutschte ab und hektisch holte sie noch einmal aus, doch er hatte ihren ersten Versuch bemerkt und diesmal bohrte sich die Ahle tief in seine Schulter wo sie am Knochen seines Schulterblatts abprallte. Sie zog sie mit einem Ruck heraus sodaß sein Blut in ihr Gesicht spritzte. Totec schrie vor Schmerz auf und ließ von ihr ab, doch er lehnte noch halb auf ihr und sie kam nicht sofort frei! Es war als würde ihr das Herz stehenbleiben. Sie bekam nicht mit wie ihre Cousine von ihrer Liege aufsprang, sich die Wasserblasen griff und aus dem Langhaus rannte. Endlich stieg er von ihr runter und taumelte ächzend von der Liege. Waiting Moon warf sich aus seiner Reichweite, stürzte zu Boden und rappelte sich panisch auf um Golden Flower zu folgen. Doch Totec hatte sich schnell gefangen, die Ahle war nicht tief eingedrungen und hatte keinen großen Schaden angerichtet. Hätte sie seinen Hals getroffen würde er jetzt am Boden liegen und verbluten. Mit einem wütenden Grollen nahm er die Verfolgung auf und erwischte sie noch bevor sie die Hütte verlassen konnte. Er warf sich auf sie und riß sie zu Boden, und während sie vor Angst aufschrie holte er aus und schlug ihr ins Gesicht. Sie hatte ihn getäuscht und dann versucht ihn zu töten. Nie zuvor hatte eine Sklavin oder irgendeine andere Frau so etwas bei ihm versucht! Seine Wut kannte keine Grenzen als er immer wieder ausholte und auf sie einschlug, so lange bis sie besinnungslos und mit blutigem Gesicht unter ihm lag. Erst dann stürzten drei Krieger mit Speeren durch den Eingang weil sie das Geschrei gehört hatten, doch da war es schon längst vorüber. Totec erhob sich keuchend und ächzend, blickte auf die reglose Frau hinab und betastete mit einer Hand seine verletzte Schulter.

"Ihr kommt zu spät! Und jetzt schafft sie raus!"

Während zwei Krieger jeweils Arme und Beine von ihr griffen und sie hinaus schleppten stand Totec noch immer schwer atmend da und betrachtete das Blut in seiner Hand. Nur langsam ging die Aufregung in ihm zurück, und der dritte Krieger begutachtete kurz die Wunde an seiner Schulter und sagte ihm dann er würde etwas holen um die Blutung zu stillen. Dann verließ er die Hütte und Totec blieb allein zurück. Er starrte auf das Blut in seiner Hand und spürte wie es an seinem Rücken hinablief. Tief atmete er durch und lachte dann leise auf. Sie hatte versucht ihn zu töten.

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Dorf der Seneca - Red-Earth  Empty Re: Dorf der Seneca - Red-Earth

Beitrag von Great Hoop 7/8/2013, 22:42

In der Nacht setzte der erhoffte Regen ein. Gleichmäßig und laut rauschte er vom Himmel, tropfte auf die Baumkronen und lief die Stämme und Pflanzen hinab, sammelte sich in Rinnsälen und ließ die Flüsse ansteigen. Wie erhofft löschte der Regen auch das große Feuer und verhinderte daß es auf das Dorf der Seneca übergriff. Es war ein kurzer jedoch kräftiger Regenschauer gewesen und am nächsten Morgen war er längst vorüber; das Wasser hatte das meiste der Asche davongetragen, und das verbrannte Tal hatte sich in eine matschige und schwarze Landschaft verwandelt. Ringsum erstreckten sich noch immer Berge und Täler die von dichtem Wald bedeckt waren, doch im Tal der Seneca klaffte eine riesige Wunde. Der Gestank nach verkohltem Holz hing noch in der Luft als Totec sein Langhaus verließ, um sich auf den Weg zum Versammlungshaus zu machen. Man hatte Waiting Moon am Abend zuvor weggeschafft und Totecs Anweisung hatte geheißen sie zu fesseln; die jüngere Sklavin war verschwunden und Totec vermutete daß sie in die Wälder geflohen war als Waiting Moon ihn angegriffen hatte. Also hatte er drei Männer auf ihre Spur angesetzt, und es würde nur eine Frage der Zeit sein bis man sie fand. Denn er bezweifelte dass sie es schaffen würde sich lange vor seinen Männern zu verstecken, also machte er sich darüber keine Sorgen. Bis man sie erwischte hatte er jedoch keinen Sklaven und das würde er zuerst regeln an diesem Tag. Wie so oft trug er den ledernen Schutz auf seinen Schultern, doch diesmal trug er ihn auch wegen der Verletzung welche ansonsten deutlich sichtbar an seiner Schulter gewesen wäre; man hatte die Wunde gesäubert und bedeckt und es hatte ihm in der Nacht ein wenig zu schaffen gemacht, sodaß er nicht besonders gut hatte schlafen können.
Nun folgten ihm zwei Krieger durch das Dorf, und nicht weit entfernt war der Dorfplatz auf dem Waiting Moon gefesselt war. Sie wirkte mehr tot als lebendig, die Arme rückwärts an einen Pfahl gebunden vor dem sie saß, und ihr Oberkörper war nach vorne gelehnt. Der Regen hatte sie vollkommen durchnässt. Zwei andere Frauen wandten sich schnell ab und gingen davon, so als wären sie gar nicht in der Nähe gewesen, vermutlich um zu verheimlichen daß sie sich um Waiting Moon kümmerten. Totec verschwendete nur einen kurzen Blick an sie ehe er sich auf den Weg zu der Versammlungshütte machte; dort angekommen ehrte er zuerst den Sonnengott Tonatiuh indem er ihm Räucheropfer darbot und schweigsam betete, während einige seiner Krieger ebenfalls in der Hütte saßen und warteten. Er war ein Krieger und als dieser würde er immer handeln, doch wie die meisten anderen auch war er tief religiös. Alles was sie taten wurde von den Göttern bestimmt und gerichtet. Dass er nicht gerichtet wurde, das verdankte Totec der Tatsache daß er den Göttern bisher genügend Ehrerbietung gezeigt hatte. Nach einer Weile erhob er sich und betrachtete die Gaben vor sich. Dutzende Blüten in unterschiedlichen Farben, Schalen mit Früchten und andere Dinge waren auf eine ansehnliche Art und Weise und in perfekter Geometrie angeordnet; in der Mitte standen eine große und einige kleine Schalen gefüllt mit rauchendem Harz. Langsam wandte er sich um, sah zu den anderen schweigsamen Männern hin und verließ schließlich die Hütte, um sich darum zu kümmern daß eine Gruppe Krieger ausgewählt wurde; sie sollten dieses Gebiet verlassen und einen Weg über die Berge, welche das Tal umgaben hinüber in ihre Heimat finden. Der Weg durch die gefürchteten Höhlen in denen die bösen Geister wohnten war zu gefährlich, denn selbst von ihnen, den besten Kriegern waren einige nicht bis an das Ende der Höhle gelangt. Durch schwarz-finstere, endlos lange Gänge führte sie, über Berge aus scharfkantigen Steinen, durch enge schmale Durchgänge kaum höher als ein Mann, und am schlimmsten waren die tiefen Schluchten voll Wasser durch welche sie tauchen mussten, ohne zu wissen wo das Ende und die nächste Möglichkeit zu atmen war. Dieser Weg war etwas für Holcane, aber nicht für ihre Frauen, Kinder, Priester und Sklaven die außerdem noch Hab und Gut mit sich nahmen. Er wollte daß dieses Tal zu einem weiteren Teil ihres Reichs wurde, und es war sein Recht diesen Teil nach seinen Wünschen zu erschaffen, denn er hatte diesen eingenommen. Solange sie zukünftig Abgaben an Pehony leisteten und den Wünschen der Priester entsprachen würde er frei sein zu tun was er wollte. Alles was er dafür benötigte war die Gunst der Götter, Reichtum des Landes und eine Armee Krieger die ihm folgte.


Der Vormittag verging und schließlich machte sich Totec auf den Weg zurück zu dem Dorfplatz. Die anderen Männer erledigten ebenfalls ihre Aufgaben wobei er ihnen nicht sagen musste was sie zu tun hatten. Ganz von selbst zogen sie los um Wild zu jagen und Fallen zu kontrollieren, und um die Wachposten abzulösen. Sie kümmerten sich um ihre Waffen und Rüstung um sie instand zu halten. Und sie bewachten die Sklaven von denen die meisten Frauen und nur wenige Kinder waren. Alles nahm seinen Lauf und insbesondere legte er darauf Wert daß man ihm Respekt erwies. Die meisten seiner Krieger waren loyal, nur wenige bedurften einer Kontrolle in dem was sie taten - oder nicht taten. Daß er als ihr Anführer auf eine neue Sklavin bestand, und zwar von einem seiner Krieger, wurde geduldet. Jetzt waren die meisten von ihnen unterwegs, die restlichen hielten sich in den Hütten auf um der Mittagshitze zu entgehen. Totec schritt allein durch das Dorf, der Geruch von dem niedergebrannten Wald in seiner Nase. Manchmal wehte der Wind herüber und ließ Aschefetzen auf den Boden rieseln. Schweiß perlte seinen muskulösen Rücken hinab, nicht nur weil ihm in der schwülen Hitze warm war; sein Körper reagierte auf die Wunde an seiner Schulter. Wieder dachte er daran daß die Frau ihn überlistet hatte und versucht hatte ihn zu töten. Dabei überkam ihn kein Haß und keine Wut, denn er stand über ihr und sie gehörte ihm. Noch schien sie nicht begriffen zu haben wer er war, und wozu er imstande war. Er konnte ihr viel mehr zugestehen, wenn sie nur tat was er von ihr verlangte. Daß sie versucht hatte ihn zu töten zeigte wie stark ihr Wille war, vielleicht war es auch nur ihr Mut. Ganz gleich was es war, es hatte ihn beeindruckt. Seine Anwesenheit auf dem Dorfplatz schien wie eine drohende Gefahr auf die Frauen zu sein die dort waren um Mais zu mahlen und Strohmatten zu flechten; binnen kurzer Zeit ließen sie ihre Sachen liegen oder nahmen sie an sich um vor dieser Gefahr zu flüchten, und so überquerte er den leeren Dorfplatz auf dem nur ein großer Holzpfahl stand welcher den Himmel berührte. Wie immer blickte er hinauf und betrachtete die geschnitzten Muster in dem Holz, welche eine ihm unbekannte Geschichte zu erzählen schienen. Schon oft hatte er sich gefragt was es damit auf sich hatte, gab es doch niemanden unter diesen Menschen der es ihm erklären könnte.

Sein Schatten fiel auf die reglose Waiting Moon welche auf dem Boden saß, die Arme an den Pfahl gebunden, und ihr Kopf war nach vorne geneigt sodaß ihre Haare ihr Gesicht bedeckten. Wenn sie bei Bewußtsein war so würde sie seine Schritte gehört haben, als seine ledernen Sandalen auf dem sandigen Boden geknirscht hatten. Sie war reglos und ihre Haut war vom Staub des Tages bedeckt. Auf ihren Armen hatte sie Blutergüsse, wahrscheinlich weil die Männer sie geschlagen hatten bevor sie sie festgebunden hatten. Unter ihrem schmutzigen Kleid hob und senkte sich sachte ihr Atemzug. Totec schritt voran und trat hinter sie um geruhsam seinen Dolch vom Gürtel zu ziehen. Die scharfe Obsidian-Klinge zerschnitt mühelos die harten Fesseln aus Leder von ihren Handgelenken, und Waiting Moon fiel augenblicklich nach vorne in den Staub. Totec verstaute seinen Dolch und trat vor um sich hinab zu beugen. Mit Leichtigkeit hob er sie vom Boden auf und trug sie auf seinen Armen über den Dorfplatz, wobei er sie keines Blickes würdigte. Sie war nicht fähig zu laufen, auch wenn sie einmal kurz aufstöhnte. Stattdessen trug er sie wortlos den Weg zurück zu seiner Hütte und brachte sie dorthin wo sie hingehörte. Sie konnte so oft versuchen ihn zu töten wie sie wollte, sie konnte versuchen zu fliehen, und doch gehörte sie ihm. Ihr Platz war in dieser Hütte und ihre Aufgabe war es ihm zu dienen. Er legte sie neben der Feuerstelle auf einer der Arbeitsmatten ab, ihr Gesicht dem Herd zugewandt. Noch immer war sie reglos und schien mit ihrem Geist weit fort zu sein. Sie hatte die ganze Nacht im Regen und den halben Tag in der Hitze gesessen, vielleicht war es bereits zu spät für sie. Mitleidlos betrachtete er ihr geschundenes Gesicht auf das er in der letzten Nacht seine Fäuste hatte prallen lassen; ihre Lippen waren aufgeplatzt und geschwollen, Blut hing in einem Mundwinkel, und der Bereich um die Augen herum war ebenfalls geschwollen und verletzt. Nur ihre flache, sanfte Nase erinnerte an jene Frau die seine Wünsche verachtete. Wenn sie wüsste wie sie nun aussah würde sie sich wünschen sich ihm niemals in den Weg gestellt zu haben.


Als Waiting Moon erwachte konnte sie sich kaum rühren; nur mit Mühe gelang es ihr die Augen zu öffnen und den Kopf anzuheben, und auch wenn sie nur schwer etwas erkennen konnte bemühte sie sich zu verstehen wo sie sich befand. Jedes Glied an ihrem Körper schmerzte, und in ihrem Kopf war so ein merkwürdig dumpfes Gefühl welches sie sich benommen fühlen ließ. Zittrig setzte sie sich auf und stützte sich am Boden ab, als genau in diesem Moment ein schrecklicher Schmerz durch ihren Kopf fuhr der sie vor Pein aufstöhnen ließ. Sie kniff die Augen fest zusammen während ihr Puls in den Ohren schlug. Es war warm und sie hatte die Farben des Feuers bemerkt, welches das Innere der Hütte beleuchtete, also war sie jetzt in einer Hütte und nicht mehr draussen.  Sie erinnerte sich daran daß ihre Peiniger sie draußen an dem Pfahl festgebunden hatten, jener Pfahl welcher die Geschichte ihres Clans erzählte. Nur langsam ließ der Schmerz in ihrem Kopf nach und sie blickte wieder auf. Sie fühlte sich nicht wie sie selbst, und als sie sich umsah hielt sie mit Schrecken inne. Ihr gegenüber saß ihr leibhaftig gewordener Alptraum, der Mann von dem sie gehofft hatte daß sie ihn hätte töten können damit sie und all die anderen Frauen und Kinder ihres Clans aus den Fängen dieser fremden Krieger fliehen konnten.
Totec saß ruhig da und bewegte sich nicht, mit dem Rücken an einem der Stützpfeiler lehnend, die Arme locker vor sich verschränkt, und starrte sie nur an. Waiting Moon spürte Panik in sich aufsteigen, doch sie konnte eh nicht fliehen - sie konnte nicht einmal den Mund öffnen um zu sprechen. Er saß in den Schatten doch es war ihr als konnte sie seine Augen funkeln sehen, und dann als er sich regte und sich nach vorn beugte erleuchtete der Feuerschein das Jaguarfell auf seiner Schulter. Für einen Augenblick war es ihr als würde ein wirklicher Jaguar auf sie zuspringen....vor Schreck wich sie ein wenig zurück. Während sie auf ihr Lager sank starrte sie in sein finsteres Gesicht während er schweigend eine Schale mit Wasser füllte und diese vor sie hinstellte; dicht vor sich erkannte sie die dunklen, spitzen Stäbe die seine Nase durchbohrten und im Lichtschein glänzten, seinen auf die Schale gerichteten Blick, dann zog er sich wieder zurück und beobachtete sie schweigend. Ihr Durst war stärker als ihre Furcht vor ihm und so beugte sie sich vor um die Schale an sich zu nehmen. Sie spürte wie er sie anstarrte, und sie dachte nicht einmal darüber nach warum er alleine hier mit ihr saß, warum ER es war der ihr Wasser gab.
Bevor sie die Schale nahm und sie an ihre Lippen setzte fiel ihr Blick auf das kleine Spiegelbild darin. Sie hielt inne und wischte langsam ihre zerzausten Haare aus dem Gesicht, neigte ihren Kopf um ihr ganzes Gesicht zu betrachten. Die Dunkelheit und der Feuerschein ließen das Wasser besonders gut spiegeln, und Waiting Moon musste mit Entsetzen erkennen wie sie aussah. Völlig reglos starrte sie sich an bis ihr Tränen in die Augen stiegen und sie kaum noch etwas sehen konnte. Sie wimmerte auf und fuhr sich mit den Fingern über ihr Gesicht, die geschwollenen Augen, Wangen und Lippen. Speichel lief aus einem Mundwinkel als sie erstickt schluchzte. Warum hatte er ihr das angetan, warum hatte er sie nicht gleich getötet? Warum war sie überhaupt noch hier? Sie wollte nicht mehr hier sein, wenn sie schon nicht bei ihrer Cousine oder ihrer Familie sein konnte wollte sie lieber sterben. Sie sah aus wie ein Monster...wie eine schreckliche Gestalt aus der anderen Welt. Er hatte sie zu dem gemacht und sie konnte ihren Anblick nicht ertragen, zu sehr hatte es sie aufgewühlt. Sie hörte seine Stimme doch sie verstand nicht was er sagte; er deutete auffordernd auf ihre Wasserschale doch was auch immer er ihr befahl, sie konnte und wollte nichts mehr tun. Er erhob sich und ging schweigend davon, ließ sie allein für sich dort liegen. Daß sie durstig war, daß sie Schmerzen hatte, das alles zählte nicht mehr wenn sie doch nur endlich vergessen könnte. Sie weinte leise vor sich hin, alleine mit ihren Gedanken, und wollte sich für immer vergessen.


Ein Lichtstrahl traf seine Augenlider und ließ ihn langsam erwachen. East Wind regte sich schwerfällig und versuchte sich mühsam aufzusetzen; Staub wirbelte durch die Luft und tanzte vor ihm in dem gebündelten Licht welches durch die Dachluke auf den Boden der Hütte traf, und neben ihm hustete Grey Otter weil seine trockene Kehle kratzte. Auch East Wind hatte Durst, doch sie würden sich noch eine Weile gedulden müssen bis endlich jemand von draussen hereinkommen würde um ihnen Wasser zu bringen. Wieder gab es einen neuen Tag und wieder hieß es endlose Stunden dazusitzen und das Leid zu ertragen, die Gewissheit ihre Familien, ihren Clan, alles was ihr Leben ausmachte verloren zu haben. Noch waren sie am Leben, doch wann würde der nächste von ihnen für immer gehen? East Wind blieb still sitzen und versuchte seine Hände und Finger in den Fesseln zu bewegen, denn sie fühlten sich steif und ungelenk an. Neben sich hörte er Grey Otter und Two Rivers Running leise ein paar Worte wechseln ehe sie in letargisches Schweigen verfielen, und dann war es still. Von draussen drangen ein paar Geräusche herein, doch nur wenige davon konnte man zum Dorfleben zählen. East Wind hob seinen Kopf an und starrte hinauf zur Dachluke, konnte ein wenig vom blauen Himmel erkennen und vom grellen Licht des Morgens; immer wieder musste er an Little Robe denken, seine geliebte Little Robe. Es gab nichts anderes mehr woran er denken konnte oder wollte. Denn sie war tatsächlich das Einzigste was ihm jetzt noch Hoffnung oder Wünsche erwecken konnte, denn er wollte daß sie in Sicherheit vor diesen Fremden war und daß sie bei ihm war. Sie lebte, und er lebte, so wollte es der Große Geist. Nach einer Weile hörten sie vom Eingang lautere Worte und es schien als ob die Wachen miteinander sprachen, was jedoch niemand von ihnen verstehen konnte. Jemand schob den Vorhang beiseite und schließlich kamen drei Holcane herein und näherten sich den Männern am Boden. Die Fremden trugen Schlingen und wuchtige Stäbe mit einer Art Stein am Ende, welche unmißverständlich Waffen waren mit denen sie einen Mann ohne Mühe erschlagen konnten. Alles in East Wind spannte sich sofort an und auch die drei anderen Männer waren plötzlich auf der Hut.
Die Holcane umstellten sie und einer von ihnen machte eine auffordernde Handbewegung. "Ximehua!" befahl er immer wieder und wollte daß sie sich erhoben. Erst als die Holcane sie an ihren Armfesseln hinauf zogen schafften sie es auf ihre Füße und mussten dabei die Schmerzen ertragen. East Wind spürte sein Herz heftig schlagen und immer wieder blickte er in die Gesichter der älteren, erfahrenen Männer, doch auch diese wussten nicht was nun auf sie zukommen würde; es war nicht so wie sonst wenn sie hinausgeführt wurden damit sie sich erleichtern konnten. Dieses mal war es anders, die Fremden waren zu dritt und wirkten agressiver als gewöhnlich. Während die Seneca dastanden begannen die Holcane ihre Armfesseln zu lösen, anschließend banden sie ihnen Halsschlingen um welche sie miteinander verbanden. Nun hatten sie ihre Hände frei und doch waren sie miteinander verbunden, mit Schlingen die ihnen eine überraschende Flucht unmöglich machten. East Wind hörte wie die Fremden in dieser merkwürdigen Sprache miteinander redeten, und er beobachtete wie sie kurz dastanden und ihre Kriegskeulen wie Gehstöcke hielten. Sein Kreislauf war nicht mehr der Stärkste, und seine Beine waren ein wenig schwach. Er fühlte sich müde und gleichzeitig aufgewühlt von der Furcht welche ihn erfasst hatte. Was würden die Fremden mit ihnen machen? Sie wussten was sie mit Hole in the Sky getan hatten, und sie wussten warum er niemals wieder zurückgebracht worden war. Vielleicht waren sie nun die nächsten. Vielleicht wollten sie sich endlich dieser Last entledigen. Wieder erhaschte er Grey Otter's Blick, und dieser nickte ihm kaum merklich zu, das Gesicht voller Sorge angespannt. Doch East Wind kannte sein Zeichen, er sollte die Ruhe bewahren und abwarten. Die drei älteren Männer - allesamt entfernt mit ihm verwandt - wirkten genauso müde und geschwächt wie er selbst, und er als der Jüngste von ihnen hatte es dank seines Alters noch gut erwischt. Sie waren allesamt einmal stolze Seneca gewesen, mit sauber rasierten Köpfen und bunten Haarkämmen, sorgsam genähter Kleidung die mit Blütenmustern verziert war, und violettem Schmuck aus Muscheln welcher den Reichtum ihres Landes bezeugte. Jetzt wirkten sie nicht einmal mehr wie Seneca....einzig die feinen Tätowierungen auf ihren Körpern verrieten ihre Herkunft.
East Wind schreckte aus seinen Gedanken als die Holcane wieder Befehle grollten und schließlich deutlicher machten was sie wollten: sie stießen die Keulen in ihre Rücken und schubsten sie in Richtung Ausgang. Unmengen an Staub wirbelten durch die Luft als die Männer sich dicht an dicht in Bewegung setzten und die Hütte verließen. Draußen blendete sie das Tageslicht und machte sie fast benommen als sie vorwärts schlichen und versuchten sich in dem Dorf umzusehen während ihnen die Holcane folgten. Sie konnten niemanden ihres Clans entdecken, nicht einmal auf dem großen Dorfplatz. Natürlich war dies ihre größte Hoffnung gewesen, endlich wieder ein geliebtes Gesicht zu erblicken und zu wissen daß dort noch jemand war der ebenfalls Hoffnung hatte. Gleichzeitig war es schwer den Anblick zu ertragen ihre einst freien Frauen, Schwestern, Töchter und Freunde als Sklaven zu sehen. Auf dem Platz hielten sie an, und einer der Holcane ging fort und brachte ihnen einen großen Trinkschlauch, aus welchem sie jeden von den Gefangenen trinken ließen.

Man führte sie hinaus aus dem Dorf in ein kurzes Stück des Waldes, welcher ungewöhnlich still erschien und die Männer sich noch unwohler fühlen ließ. Dann hörte der Wald plötzlich auf und dort wo er endlos hätte weiterführen müssen traten sie plötzlich hinaus in eine freie Fläche. East Wind ging vorderst und er war es der zuerst entsetzt stehenblieb, und schon blieben sie alle stehen und starrten auf die riesige verkohlte Landschaft vor sich. Nur in der Ferne sahen sie die grünen Hügel und Berge und irgendwo dort schien der Wald wieder zu beginnen; hier jedoch war alles tot und verbrannt, selbst ein Teil des riesigen Flusses schmiegte sich an die kahle Fläche. Sie sahen endlos viele Baumstümpfe und sie wussten einfach nicht wie sie auf diesen Verlust reagieren sollten. War dieses Feuer ein Schicksal gewesen? East Wind konnte es sich kaum vorstellen daß irgendjemand mit Absicht ihre Heimat niederbrennen würde. Die Holcane stießen sie erneut vorwärts, und immer wieder mussten sie sie anstoßen denn ihre Beine wurden ihnen immer schwerer. Oft war der Matsch und die Asche so tief daß ihre Füße sich förmlich fest saugten und an ihren Kräften zehrten. Und dann hinter dem ersten Hügel erkannten sie plötzlich andere Gestalten weiter weg, und sie standen ebenfalls in der toten Landschaft und es war als würden sie mit ihr verschmelzen. Es waren die Frauen die über und über mit schwarzer und grauer Asche bedeckt waren, einzig ihre Schultern und Köpfe waren nicht verschmutzt. Überall standen sie in Gruppen und beugten sich vor um in der Erde zu graben und mit Stöcken zu pflügen, andere trugen große Körbe auf dem Rücken und sammelten Pflanzenreste und Steine auf. Es waren einige dutzend Gruppen und sie alle wurden von Holcane bewacht, ein Anblick welcher für die vier Seneca kaum zu fassen war. So viele waren noch am Leben...so viele. Immer wieder stieß man sie weiter an und immer näher kamen sie, bis plötzlich eine der Frauen in der Ferne aufschrie und loslief. Sie lief in ihre Richtung was Eastwind und die anderen stehenbleiben ließ, gefangen von dem Moment in der sengenden Hitze der unbarmherzigen Sonne. Eine kleine Frau kam angelaufen, gefolgt von einem wütenden Holcane der versuchte sie einzuholen. Sie war schwarz von Asche und ihr Haarzopf flog beim Laufen im Wind. In ihrem Gesicht stand so etwas wie Panik als sie bei ihnen ankam und sie ungehindert in Grey Otter's Arme stürzte. Es war seine Frau! Sie hatte überlebt und niemand seiner Bewacher hinderte sie daran bei ihm zu sein. Voller Unglauben stand Grey Otter da und versuchte sie zu halten während sie laut weinend und schreiend bei ihm war, so als würde sie einen Toten wiedertreffen. East Wind und die anderen beiden welche an Grey Otter festgebunden waren harrten aus und waren nicht fähig etwas zu tun.
Der Holcane war bei ihnen angekommen und noch während Grey Otter versuchte seiner Frau einzureden daß sie gehen sollte, stürzte sich der Holcane auf sie und zog sie grob von ihm weg. Sie schrie noch einmal auf, dann wurde ihr wieder klar was sie zu tun hatte. Sie taumelte weinend herum, ihre Hände zitterten unkontrolliert und ihr Gesicht war bedeckt mit Tränen als sie sich von den Männern entfernte. Ihr Bewacher schlug sie mit einem langen Bambusstock auf den Rücken und schließlich gingen sie langsam zurück zu den anderen Frauen, welche ebenfalls aufgehört hatten zu arbeiten und angestrengt zu ihnen hinstarrten. Sie hofften geliebte Gesichter zu erkennen, und sie waren ergriffen von dem lautstarken und unerwarteten Wiedersehen. East Wind sah daß Grey Otter's Gesicht von Schmerz verzerrt war und in seinen Augen standen Tränen, vielleicht weil auch er geglaubt hatte daß seine Frau tot war und ihr Anblick ihn aus der Fassung brachte. Dann gingen sie weiter bis die Holcane sie anhielten und man jedem von ihnen lange Grabstöcke in die Hand gab. Das war es also warum sie hier waren, sie wurden nicht getötet - sie mussten arbeiten! Es blieb ihnen nichts anderes übrig als genau das zu tun, und auch wenn dies alles war was ihnen noch blieb...East Wind fühlte sich plötzlich so viel besser als zuvor. Er sah all die Frauen seines Clans dort arbeiten, so viele hatten überlebt. Selbst andere Männer waren dort, mindestens zehn von ihnen! Solange es noch Seneca gab würde ihr Volk nicht untergehen. Während er arbeitete und die schweren Baumwurzeln lockerte damit man sie wegtragen konnte, die Asche seiner Heimat auch seine Arme und Hände schwarz färbte, sah er immer wieder auf und betrachtete die Frauen in der Ferne. Endlich sah er Little Robe unter ihnen, auch sie hatte ihn längst entdeckt. Immer wieder sahen sie sich an, und auch wenn sie sich so fern schienen und hart arbeiten mussten schienen ihre Blicke zu sagen daß sie niemals das aufgeben würden was sie verband.
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